Im Wohnzimmer

Conform Contact 2022 © Sascha Alexandra Zaitseva

Bereits zum vierten Mal findet das COOK, EAT & CLEAN Festival im eindorf statt: Vom 18. bis 20. Oktober 2025 verschmelzen in der Reindorfgasse 8 im 15. Bezirk an drei Abenden unterschiedliche Kunstformen wie Performance, Film, Skulptur-Kunst oder Musik zu einzigartigen Living-Room Performances. Die Performer:innen Masoumeh Jalalieh, Daniel Zimmermann und Yalda Pakzad und Parham Rostamabadi setzen sich mit Beiträgen von Inge Dick (bildende Kunst), Sascha Alexandra Zaitseva (Keramik), Sämi Weber (Musik) und Coco Lorraine Sobart (Sound) auseinander. So entsteht in diesen Living Room Performances ein facettenreiches, interdisziplinäres Geflecht aus Bewegung, Klang, Bild und Raum. Und das Publikum sitzt mitten im Geschehen und wird Teil der Performance. Auf diese Weise erleben die Besucher:innen reale, ungefilterte Erfahrungen, die Autonomie, Kreativität und kollektive Selbstermächtigung in den Mittelpunkt stellen. Mit seinen Living Room Performances möchte das COOK, EAT & CLEAN Festival Begegnungen schaffen, die sich den Kräften der Isolation und Polarisierung entgegenstellen.

“In einer Zeit, in der Trennung zur Norm geworden ist – in der Grenzen, Ideologien und Identitäten Gemeinschaften spalten und Konflikte nähren – wird das Zusammenkommen zu einer unserer dringendsten und grundlegendsten Verantwortungen. Als Künstler:innen erkennen wir, dass das Versammeln nicht nur ein Zeichen der Einheit ist, sondern ein radikaler politischer Akt. Menschen einzuladen, gemeinsam Raum zu teilen, bedeutet, sich den Kräften entgegenzustellen, die Isolation und Polarisierung fördern”, so Festival-Mitbegründer Daniel Zimmermann.

“Unsere Living Room Performances werden zu Momenten der Verbindung, Sinnlichkeit, Gastfreundschaft und Intimität – einer Praxis des Erlebens, Teilens und Verkörperns von Kunst. Die Living Room Performance schafft eine Atmosphäre der Unmittelbarkeit, in der persönliche Erfahrung und Intimität zu einer transformativen Begegnung verschmelzen. Körper, Objekte, Bilder und Emotionen verweben sich und lösen die Grenzen zwischen Publikum und Performenden auf.” ergänzt die iranische Choreografin Masoumeh Jalalieh, die mit Zimmermann das Programm gestaltet.

Performance, Kunstwerke und Räumlichkeiten treten in Verbindung

Der Festival-Name COOK, EAT & CLEAN möchte den zentralen Gedanken der Living Room Performance auf den Punkt bringen. Das Publikum wird nicht als “Konsument” verstanden, sondern als Gast eines Performance-Abends, bei dem auch gemeinsam gekocht und gegessen wird.

Die iranische Choreografin und Performerin Masoumeh Jalalieh, der Schweizer Filmemacher und bildende Künstler Daniel Zimmermann, die iranische Performancekünstlerin Yalda Pakzad sowie der iranische interdisziplinäre Künstler Parham Rostamabadi sind die vier Gastgeber:innen.

Sie sind zugleich auch die Performer:innen an allen Abenden, die sich mit Arbeiten von Künstler:innen wie Inge Dick, Sascha Alexandra Zaitseva oder Nikola Milojcevic in Verbindung setzen. Genauso aber mit Filmen von Daniel Zimmermann, Marzieh Emadi und Sina Saadat, Lukas Marxts und Jakub Vrba sowie Herbert Distl und Petra Otahal.

“Bei der Auswahl der Filme war uns wichtig, dass sie in Verbindung mit den Choreografien und ausgestellten Objekten stark resonieren. In diesem Zusammenspiel erlebt das Publikum in den Living Room Performances intensive Atmosphären, die zum Teil auch physische Reaktionen provozieren. Ebenso wie absurde und poetische Momente”, setzt Masoumeh Jalalieh fort.

Living Room Performance mit Masoumeh Jalalieh © Masoumeh Jalalieh

Diese sorgfältig choreografierten Abende sind künstlerisch konzipiert und kuratiert: Abfolge, Raumgestaltung und multimediale Elemente verschmelzen zu einem intensiven, immersiven Gesamterlebnis. Die Nähe zwischen Performenden und Publikum erzeugt eine Atmosphäre von Intimität und Offenheit. Das Format bietet Raum für Ausdruck, Austausch und kreative Experimente – oft auch als Akt des Widerstands gegen Repression und Zensur.

Die Kunst der Licht- und Farbveränderung

Inge Dick verwandelt die Visualisierung von Licht in einzigartige künstlerische Dokumentationen. Sie macht die Veränderung von Licht in so feinen Nuancen sichtbar, dass sie kaum in Worte zu fassen ist. Bei COOK, EAT & CLEAN - Praxis, Ritual und Performance sind ihre Arbeiten zinnober und unendlich zu erleben. zinnober zeigt in 13,5 Stunden Echtzeit die subtile Farbveränderung einer zinnoberroten Fläche und dabei die ganze Vielfalt und Wandlungsfähigkeit dieser Farbe. Das Projekt blau, unendlich ist ein Film- und Fotoprojekt in 300 Metern Höhe am Sonnblick, in dem Inge Dick die Licht- und Farbveränderungen des Himmels im Verlauf eines Tages dokumentiert und auf beeindruckende Weise sichtbar macht. Diese beiden Arbeiten generieren einen nahezu meditativen Raum, der zu Ruhe und Kontemplation führt.

Umarmte Keramik

Sascha Alexandra Zaitseva setzt sich in ihrer Keramik-Kunst mit dem verbreiteten Stereotyp auseinander, dass Keramikgefäße mit dem weiblichen Körper assoziiert werden. Ihre Arbeit Conform Contact lädt das Publikum ein, sich an einer menschengroße Keramik-Vase anzulehnen oder sie zu umarmen. Wie in vielen Arbeiten der Künstlerin wird Ironie eingesetzt, um Klischees und Vorurteile zu verstärken und durch Übertreibung sichtbar zu machen.

Schiefes Lächeln

Mit ihrer Skulptur ZahnFrauMann greift Nikola Milojcevic den Mund als Spiegelbild nach außen auf – als Ort, an dem Inneres Gestalt annimmt. Das angedeutete Lächeln ist schief, aber freundlich, ein Moment leiser Selbstironie. Es verweist auf die Fähigkeit, sich selbst mit Abstand zu betrachten, ohne Härte, ohne Kritik.

Filmisch eingebettet: hypnotisches Atmen und brüllendes Echo

Die Film-Beiträge für die diesjährige Festivalausgabe von COOK, EAT & CLEAN beziehen durch die Reihe radikale Positionen. Und verweben sich mit den Objekten und Choreografien zu einem intensiven und immersiven Erlebnis für das Publikum.

Living Room Performance mit Yalda Pakzad © Hananeh Heydari

So geht  Daniel Zimmermann in Spinning Sense auf eine Reise durch innere Welten zwischen Körper, Geist und Ritual entfalten sich Geschichten von Transformation, Loslassen und Neubeginn, in der in jeder Episode eine eigenständige Geschichte mit neuen Figuren an einem anderen Ort erzählt wird.

Auf eine ganz andere Reise wird das Publikum in Recalling memories entführt: Und zwar auf eine intime, fast hypnotische Atemreise ins Innere, während die Welt draußen leise weiterlebt. Die feinen Atembewegungen fließen spürbar durch Augen und Ohren und führen zurück zu den uralten Rhythmen des Lebens, die in jedem von uns pulsieren.

In Echo of Fears von Dana Michel wiederum entfaltet sich in einem dunklen, spinnweben verhangenen Keller eine eindringliche Choreografie aus Schmerz, Wut und Sehnsucht: Zwischen brüllendem Echo und rhythmischem Stepptanz spiegeln sich koloniale Schatten und die Angst um zerbrechliche Leben.

In The Prologue zeigen Marzieh Emadi und Sina Saadat Menschen wie digitale Cut-Outs, die aus Arbeitermagazinen des 19. Jahrhunderts stammen könnten. Mit ihren gedeckten Farben fügen sie sich gut in die auch sonst recht trist wirkende Farbpalette der analogen surrealistisch anmutenden Zeichnungen ein. Die Steckdose im Wald, die mit ihrer Überdimensionierung an Liliput erinnert; der Maschinenraum, dessen Fahrstuhl zur Jules-Verne’schen Taucherglocke wird. 

Schon der Titel gibt Auskunft über die experimentelle Anordnung, die dem Video zugrunde liegt: Rotation von Herbert Distel setzt sich aus mehreren manuellen 360-Grad-Schwenks zusammen, die bei hoher Geschwindigkeit den immer gleichen Landschaftsstrich und die vier Jahreszeiten ineinander übergehen lassen. Die Arbeit des bildenden Künstlers Herbert Distel – mit der Tänzerin und Malerin Petra Otahal hinter der Kamera – leitet ein wildes Fangenspiel von Chaos und Struktur ein, das einen unaufgeregten Blick in die Welt wirft, der verändert zu uns zurückkehrt.

Darüber hinaus werden weitere Filme in die Living Room Performances eingebettet: DENKMAL von Herbert Distl, Sehr gepflegt und gut gelegen von Lukas Marxts und Jakub Vrba, This Arrow Points von Siegfried A. Fruhauf, excursus on fitness von Josef Dabernig, RHYTHMUS 94 von Thomas Renoldner sowie Moon Blink von Rainer Kohlberger.